Gesprächsprotokoll:
Einladung bei Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler am 15.9.2010 in Berlin
TeilnehmerInnen:
• Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler
• MinR Dr. Matthias von Schwanenflügel, Unterabteilungsleiter Pflegesicherung
• Sibylle Laurischk (FDP), Bundestagsabgeordnete des Ortenaukreises und Vorsitzende des
Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Bundestag
• Dr. Hanneli Döhner, Vorstandsmitglied von wir pflegen
• Stefan Krastel, Vorstandsmitglied von wir pflegen
Zu Beginn wurden die Möglichkeiten der Förderung unseres Vereins erörtert. Finanzielle Unterstützung von Seiten des BM wird es nicht geben können. Es wird auf die folgenden grundsätzlichen Fördermöglichkeiten hingewiesen:
-SGB XI, Par. 45 c und d, gemeinsame Förderung durch Land und Kassen
-SGB V, Par. 20 c, Förderung durch die Kassen
-BMG, wenn Erkenntnisbedarf im Sinne von Forschung
-BMAS und BMFSFJ: Förderung zu Bürgerschaftlichen Engagement prüfen
Dann wurde auf meinen Fall eingegangen, an dem exemplarisch die Nöte aufgezeigt werden können, die entstehen, wenn sich ein Vollverdiener der Pflege widmet. Dem Dilemma, dass man von ca. 600.- Euro Pflegegeld nicht leben kann und deswegen früher oder später auf unbestimmte Zeit auf Hartz IV angewiesen ist, könnte durch die Angleichung des Pflegegeldes in Pflegestufe III an die Pflegesachleistungen begegnet werden (siehe unten). Herr Dr. Rösler zeigte sich für diesen Vorschlag nicht offen aus zwei Gründen:
1. Eine Angleichung des Pflegegeldes an die Pflegesachleistung ausschließlich bei Pflegestufe III sei nicht vermittelbar, da sich dann die Empfänger des Pflegegeldes in den anderen Pflegestufen benachteiligt fühlten. Es entstünde eine "Neiddebatte", der man sich nicht stellen wolle. Herr Dr. von Schwanenflügel fügte an, dass es bei Pflegestufe III doch wenigstens "theoretisch" machbar sei, arbeiten zu gehen, wenn man die Pflegesachleistungen für einen Pflegedienst verwenden würde. Auf den Hinweis, dass mit diesem Geld nur ca. eine Stunde Pflege am Tag abgedeckt sei, wurde nur in sofern eingegangen, dass es doch möglich wäre, weitere Hilfen im sozialen Umfeld zu mobilisieren, z.B. durch meinen Bruder.
2. Die Angleichung des Pflegegeldes an die Pflegesachleistungen in allen Pflegestufen sei nicht finanzierbar. Da die komplette Angleichung bewusst (noch?) nicht meinem Vorschlag entspricht, wurde an dieser Stelle nicht mehr weiterdiskutiert.
Insgesamt war zu erkennen, dass der gesamtvolkswirtschaftliche Nutzen JEDER Entlastung und Verbesserung der Situation pflegender Angehöriger in den Überlegungen des Gesundheitsministers eine untergeordnete Rolle spielt. Frau Laurischk hingegen zeigte sich offen für diese Gedanken und betonte mehrmals, dass man in Sachen Pflege zu Ressort übergreifenden Ansätzen gelangen müsse.
Das BMG will prüfen und darüber informieren, wie viele Menschen in Deutschland aufgrund ihrer pflegerischen Tätigkeit auf Hartz IV-Leistungen angewiesen sind, was für die weiterführende Diskussion dringend notwendig ist. Man erklärte uns weiter, dass das Gesundheitsministerium an einer Neudefinition des Pflegebegriffes arbeite, um Demenz- und Alzheimererkrankungen künftig stärker in der
Pflegeversicherung Rechnung zu tragen. Wann dieser Begriff Einzug in die Gesetzgebung finden wird, konnte man uns nicht sagen.
Danach hatten wir noch Gelegenheit, Fragen aus dem Mitgliederkreis an Herrn Dr. von Schwanenflügel weiterzugeben:
• Die Frage zu speziellen Kuren für pflegende Angehörige gemeinsam mit den Pflegebedürftigen konnte nicht beantwortet werden. Es wurde aber als wichtige und sinnvolle Entlastung angesehen und die Parallele zu Mutter-Kind-Kuren diskutiert. Es wurde uns eine Prüfung zugesagt
• Die Frage nach der Inanspruchnahme der seit 2008 gesetzlich möglichen Pflegezeit konnte ebenfalls nicht beantwortet werden. Wir sollen in einigen Monaten noch mal nachfragen.
• Zum Schluss wiesen wir auf den unsäglichen Umstand hin, dass Verhinderungspflege zwar in Kurzzeitpflege umgewandelt werden kann, umgekehrt ist das allerdings nicht möglich. Der Ministerialrat sicherte zu, den Sachstand und ggf. einen Veränderung zu prüfen.
Herr Dr. von Schwanenflügel bot an, bei Fragen unseres Vereins für uns weiter Ansprechperson zu sein.
Insgesamt handelte es sich um ein offenes Gespräch, bei dem allerdings auch der Eindruck zurück blieb, dass uns die Politik eine Antwort auf die Frage, wie Armut durch Pflege verhindert werden kann, auch weiterhin schuldig bleiben wird. Umso dringlicher zeigt sich die Notwendigkeit der erfolgreichen Weiterführung unserer Kampagne "Armut durch Pflege" und der Aufbau einer flächendeckenden Basis als die nächsten Aufgaben für unseren jungen Verein wir pflegen.
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1 Kommentar:
Die Politiker bringen das auch noch fertig, daß ALG II Pflegepersonen zukünftig bei Pflegestufe III trotzdem auf einen Vollzeitjob zu vermitteln sind.
Dann muß das Pflegegeld eben für Sachleistungen ausgegeben werden.
Wenns nicht reicht, geht das Vermögen, bzw. künftige Erbe drauf. In den allerwenigsten Fällen pflegen Angehörige ersten Grades, wenn es nichts zu erben gäbe. Eine liebevolle Pflege ohne ein würdiges Erbe - wer ist so blauäugig und stürzt sich (selbst als leibliches Kind) in den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Abgrund. Die häusliche Pflege wird nie ein rundum gesichertes Alibi erlangen, nie. Eher kommt es zu Kürzungen.
Pflege bei Stufe III ja, es sei jedem freiwillig dahin gestellt, aber in Zukunft kein Hartz IV mehr.
Auf diese Masche wird alles herauslaufen. Je mehr Forderungen gestellt werden, je eher läuft alles ins Gegenteil.
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